Wenn die Katze mit dem Karneval tanzt

 

Als ich 1985 Au-pair in Dinklage war, sagte die Mutter der Familie, irgendwann im Februar, dass es jetzt Karneval wäre, da müsste man sich verkleiden und feiern. Zuerst war ich mit den beiden verkleideten Kindern der Familie im Tennisclub, und es ging ungefähr so zu, wie auf einem gewöhnlichen Kindergeburtstag. Lautes Geschrei, organisierte und unorganisierte Spiele und ganz viele Süßigkeiten. Am Ende heulte jemand und man konnte froh sein, wenn es nicht einer der Erwachsenen war, sondern „nur“ ein übermüdetes und mit Zucker vollgestopftes Kind.

Ich war von dem Konzept „Karneval“ nicht überzeugt. Meine Gastmutter erklärte mir, dass ich unbedingt auf eine Karnevalsparty für Erwachsene gehen müsste. Das würde mir sehr gut gefallen, da war sie sich sicher. Sie sagte, ich müsste mich verkleiden, dann würde es ganz großen Spaß machen. Ich überlegte, als was ich gehen könnte, sah meinen schwarzen Bademantelgürtel und dachte, der könnte als Katzenschwanz durchgehen. Ich zog enge, schwarze Leggins und ein schwarzes, noch engeres Oberteil an, malte mir die Nase mit Lippenstift rosa an und zeichnete Schnurrbarthaare mit einem Kajalstift auf die Wangen. Die Haare toupierte ich wild und hoch. Den Bademantelgürtel steckte ich mir an die  Leggins und sagte zu meiner Gastmutter, dass ich fertig wäre und sie mich  jetzt zur Party bringen könnte.

Es gab kaum verkleidete Menschen im Saal, was diese Karnevalsparty anders machte, als eine „normale“ Party, war auf den ersten Blick für mich nicht zu erkennen. Ich aber fiel in meinem Katzenoutfit auf, mehr, als mir lieb war. Es gab laute Musik, Leute die tanzten und Leute die Bier tranken. Vermutlich gab es auch eine Sektbar, das war zu der Zeit in der Gegend üblich. Sonst fand ich  den Unterschied zur Kinderparty nicht so groß, außer, dass es statt Zucker Alkohol gab. Am Ende lief es auf das Gleiche heraus: Irgendjemand heulte. „Du hast mir meinen Freund weggenommen!“, „Ich habe doch gesagt, dass er nicht mit dir gehen will!“ oder etwas Ähnliches konnte man vor dem Spiegel im Bad oder draußen vor dem Lokal von schluchzenden jungen Frauen hören.

Ich schluchzte nicht – ich trank. Ich hatte keinen Freund, den man mir hätte wegnehmen können und den Tag darauf hatte ich frei, also nutzte ich die einmalige Gelegenheit, Karneval zu feiern. Jeder im Saal wollte mal mit der Katze tanzen oder ihr zumindest ein Getränk ausgeben. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie ich nach Hause kam, aber ich weiß heute noch, dass ich und mein Bademantelschwanz sehr viel Spaß auf der Tanzfläche hatten…

In Schweden wird im Februar nicht Karneval gefeiert. Man isst semlor bevor die Fastenzeit losgeht, aber fasten tun sowieso die wenigsten. Ich verschwendete keinen einzigen Gedanken an Karneval, bis ich wieder in Deutschland lebte, und meine eigenen Kinder in den Kindergarten kamen. Plötzlich hieß es, es würde eine Karnevalsparty in der Kita geben. Und die Kinder sollten unbedingt verkleidet sein. Meine Kinder wollten sich auch verkleiden, aber als Katze wollte keiner gehen, also musste ich die Nähmaschine rausholen und, auf Wunsch der Kinder, Kostüme nähen. Das aber machte mir richtig Spaß! Mein bestes Stück war das Waldfeekleid in dunkelgrünem Pannesamt mit rosa Röschen, das meine Tochter in der dritten Klasse trug. Oder das Cowboyoutfit meines Sohnes. Ich nähte ihm zwei Hosenbeine mit Fransen die an einem Gürtel zusammenhingen, und dazu gab es noch eine passende Weste, auch mit Fransen. Leider kam er mit nur einem Hosenbein nach Hause, aber ein bisschen Schwund ist immer. Geheult hat keiner, soweit ich mich erinnern kann.

Ich aber feierte seit 1985 nie wieder Karneval. Irgendwie hatte ich schon immer das Gefühl, so ein Katzenkostüm ist wie ein Soufflé – es funktioniert nur einmal!

 

Vokabelhilfe:

en seml/a, -or                                                            mit Sahne und Mandeln gefülltes Hefeteilchen

Man kan inte få en sufflé att resa sig två gånger      Man kann das Soufflé nicht zwei mal aufgehen lassen