Ich bin Mutter, Tochter und Ehefrau, Schwierigkeitsstufe in absteigender Reihenfolge. Im normalen Leben kann ich alles recht gut bewältigen, aber wenn es sich um die Feiertagsplanung handelt, stoße ich an meine Grenzen.
Als junge Frau war ich entrüstet, als mein Vater mich im Oktober fragte, wo ich Weihnachten sein würde. Ich fand es viel zu früh, sich im Oktober darüber Gedanken zu machen! Ich habe während meines Studiums wegen der Feiertagszulage gern über Weihnachten aber auch an Ostern und Mittsommer im Krankenhaus gearbeitet, aber das waren recht begehrte Arbeitseinsätze, also konnte man nicht allzu weit im Voraus planen. Papas Frage war zu diesem Zeitpunkt nicht zu beantworten. Nach dem Studium war es schon einfacher, aber als ich 1993 nach Deutschland zog, wurde es wieder schwierig. Ab dann lief jede Planung darauf hinaus, einen Teil der Familie zu enttäuschen. Wenn wir in Schweden Weihnachten feierten, freuten sich meine Eltern, aber meine Schwiegermutter war traurig, da wir bei ihrer Familienfeier fehlten. Und umgekehrt war es natürlich genauso. In Deutschland gab es außerdem noch einen Neffen und eine Nichte, die gern mit uns Weihnachten verbrachten. In Schweden kamen ab 1996, quasi jährlich, noch Nichten, Neffen und dann auch unsere eigenen Kinder dazu und ich hätte am liebsten mit allen gleichzeitig gefeiert. Einfacher wurde die ganze Sache dadurch nicht. Das Einzige oder vielleicht der Einziger, der immer konstant und dadurch einfach war, ist mein Mann. Er feiert mit mir, egal wo.
Viele Jahre fuhren wir hin und her oder luden Verwandte zu uns ein und feierten jedes Jahr woanders. Als unser Sohn im Knabenchor sang, und da die Krönung aller Weihnachtskonzerte der Gottesdienst am Heiligabend war, wollte er irgendwann nirgends mehr hinfahren, und ab dann blieben wir in Hamburg. Es zeigte sich, dass unsere Kinder am liebsten zu Hause waren, schwedisches Julbord aßen und keinen gesteigerten Wert auf Verwandte an Weihnachten legten. Ich dagegen hatte in der Kindheit immer mit vielen Cousins und Cousinen, Onkel und Tanten gefeiert und fand, je mehr, je besser. Das war allerdings mein Weihnachtswunschbild und nicht das des Restes meiner hamburgischen Klein-Familie.
Letztes Jahr brachte der Sohn seine schwedische Freundin mit und ich freute mich sehr, dass die Familie größer wurde. Bei mir schimmerte meine Kindheitsweihnacht wieder auf und ich schnupperte Morgenluft. Dass die Möglichkeit bestehen könnte, dass er im Gegenzug dieses Jahr Weihnachten mit ihr in Schweden feiert, hatte ich in der letztjährigen Begeisterung komplett außer Acht gelassen. Das teilte er mir netterweise schon im Oktober mit, damit ich mich an den Gedanken gewöhnen konnte. Ich musste sehr an mich halten, nicht sofort bei der Tochter anzurufen, um mich zu vergewissern, dass sie nach Hause kommen und mit uns feiern würde. Plötzlich konnte ich meinen Vater sehr gut verstehen, dass er schon im Oktober wissen wollte, woran er war. Wieviel Schinken man kaufen musste und wieviel Hering eingelegt werden sollte, dass konnte nun mal nicht in letzter Minute geplant werden. 1988 aber hatte ich dafür kein Verständnis.
Nun haben wir das Jahr 2023, achtundfünfzig Weihnachtsfeste habe ich mehr oder weniger bewusst erlebt. Endlich habe ich verstanden, dass Weihnachten, wie eigentlich alle anderen Aspekte des Lebens, immer im Wandel ist. Das Einzige, was man sicher weiß, ist, dass man gar nichts sicher wissen kann. Weihnachten kommt und Weihnachten geht. Sieh zu, dass du genügend Schinken im Haus hast und dass es gemütlich ist. Dann ist es schön, sowohl mit als auch ohne Gäste!
GOD JUL!