Meine Tochter, obwohl in Deutschland geboren, ist wie alle Schweden darauf getrimmt, die ersten Frühlingsanzeichen zu erkennen. Da, mitten im Asphalt in unserem Hamburger Vorort haben sich ein paar Tussilago durch die Gehwegplatten gebohrt und strecken ihre gelbe Gesichter der Sonne entgegen. Und dann ist es amtlich: Der Frühling ist da. Endlich! Als es im März noch einmal schneite und es im April dann immer noch nicht warm wurde, fühlte sich der Frühling so abwegig und entfernt an wie ein Sechser im Lotto oder ein Nobelpreis.
Als ich Kind war, als der König noch Gustaf VI Adolf hieß, welcher der Großvater des heutigen Königs war, konnte man in der Zeitung lesen, wann der erste Tussilago von Frau Christina Johansson oder Herrn Erik Björk oder sonst einem frühlingsdurstendem Menschen an einem sonnigen Eckchen des Straßenrandes gefunden wurde. Frau Johansson und Herr Björk waren dann Helden im Ort, zumindest für einen Tag. Heute kann man die Frühlingsanzeichen im Internet verfolgen und Tag für Tag sehen, wie der Frühling sich ausbreitet. Schaut hier:
http://www.faltbiologerna.se/vartecken
Manche Schweden können die Vögel an deren Gezwitscher erkennen und sagen dann fachkundig: „Ach, die Lerche ist aber dieses Jahr früh.“ Ich kann ganz sicher nur den Kuckuck erkennen und weiß außerdem, wenn er aus dem Norden ruft, heißt das nichts gutes. „Kuckuck vom Norden heißt Trauerkuckuck“, was sich auf Schwedisch reimt. Aber da ich etwas orientierungslos bin, deute ich alle Kuckucks als „Kuckuck vom Westen“, der ist nämlich der Beste. Kuckuck von Süden und Osten haben auch ein Botschaft, die habe ich aber leider vergessen.
Was ich allerdings nicht vergessen habe, ist die schwedische Sitte, in Allerherrgottsfrühe an einem Maimorgen in den Wald zu ziehen, um den Kuckuck zu hören und falls man den Kompass dabei hat, auch voraus sagen zu können, wie das Frühjahr so wird, je nachdem, aus welcher Richtung der Vogel kräht. Und wenn man eh so früh unterwegs war, konnte man ja das Frühstück im Wald zu sich nehmen, also packten wir noch einen Picknickkorb. Und da Kinder und Ehegatten, Freunde und Verwandte auch gern picknickten, nahmen wir sie auch alle mit, und bevor wir uns versahen, hatten wir eine GÖKOTTA! Zu Deutsch würde das Event etwa ein „Kuckuksfrühmorgen“ heißen. Der Nachteil mit der Allerhergottsfrüh-Gesellschaft konnte sein, dass, wenn man mit so vielen Leuten früh morgens im Wald war, so ein Lärm gemacht wurde, dass man den Kuckuck eh nicht mehr hörte. Weder den aus dem Norden noch den aus dem Westen, also konnte man sich auf das Frühstücken und die Schnitzeljagd konzentrieren. Und wenn man den Kuckuck eh nicht hörte, konnte man ja etwas später starten. Es ist genau so nett gegen, sagen wir mal elf Uhr, zu picknicken wie um fünf… Kaffe schmeckt den Schweden immer und überall, aber ganz besonders im Wald. Und ganz besonders gut schmeckt der aus der Thermoskanne, wenn der Kuckuck kräht. Aus dem Westen, versteht sich.
PS: Tussilago auf Deutsch? Huflattich!