That´s what friends are for – „Ich habe Essen und ich hab dich“

Wiebke, unsere Gastkolumnistin

Wir haben in den letzten Kolumnen viel über die auch positiven Nebeneffekte von Corona geschrieben. Ein weiterer ist, dass diese Zeit auch gezeigt hat, wer einem wirklich wichtig ist. Wer einem hilft, zuversichtlich zu bleiben, wem man vertraut und mit wem man sich auch in Zeiten wie diesen gerne umgibt – noch dazu, wenn jede zusätzliche Begegnung ein tendenzielles Gesundheitsrisiko darstellen könnte.
Und so sind manche Freundschaften sogar noch enger geworden, neue sind entstanden, andere haben sich gelöst, auch wegen unterschiedlicher Ansichten und Einstellungen zur Corona-Gesamtsituation.

„In der Krise beweist sich der Charakter“, soll Helmut Schmidt gesagt haben – und dann sind auch Freunde so ungemein wichtig. Das war schon vor Corona so. Denn wer ist es denn, der beim Umzug hilft, wenn alle anderen Ausreden erfinden oder einfach andere Prioritäten haben? Garantiert nicht die 560 Facebook-Kontakte. Wer ist es, den man auch spätabends oder frühmorgens aufgewühlt anrufen kann? Und mit wem kann man einfach auch mal das reine Beisammensein, das gemeinsame Schweigen genießen, ohne ständig das Bestreben zu haben, eine vermeintlich unangenehme Stille überbrücken zu müssen? Im Film „Bist du glücklich?“ von Max Zähle sagt eine Hauptfigur zur anderen: „Liebe ist, einfach schweigend nebeneinander zu sitzen und sich zu freuen, dass der andere da ist“ – trifft auch auf enge Freunde zu meiner Meinung nach.

Ich erinnere mich, wie ich mich mit einer langjährigen Freundin, nennen wir sie Jessica, mal ganz plötzlich in die Haare bekommen habe, ein Wort ergab das andere – und dann ist sie einfach wutentbrannt weggelaufen und hat mich zurückgelassen. In der S75, irgendwo in Berlin. Ein paar Stunden ist jede so vor sich hin geirrt, bis wir uns auf der Museumsinsel wiedergefunden haben und erstmal eine halbe Stunde lang nur schweigend nebeneinander saßen. Schweigend sind wir dann auch zu ihr nach Hause gegangen, ehe wir uns endlich ausgesprochen haben. Bei Tee und ganz in Ruhe auf ihrem Balkon. Sie ist eine meiner engsten Freundinnen. Das hat auch dieses Erlebnis noch mal gezeigt. Man kann sich heftig streiten und auch sehr unterschiedliche Ansichten und Eigenschaften haben – wichtig ist doch, dass man respektvoll bleibt und grundsätzlich gerne in der Nähe voneinander ist. Und wenn es schweigend auf einer Steinmauer auf der Berliner Museumsinsel ist.

Fundamental ist aber auch, dass man hin und wieder gemeinsam lacht. So heftig, dass man nicht aufhören kann – und auch in Momenten, in denen man Lachen am Nötigsten hat. Als ich vor ein paar Jahren ganz enttäuscht in meiner Küche saß, zusammen mit meiner langjährigen Freundin Lina, im Hintergrund die melancholische, durchaus dramatische Musik von Benny Anderssons Klavier-Album, und gerade anfangen wollte, zu weinen, sagte Lina etwas völlig Deplatziertes, Witziges, das ich leider nicht mehr erinnere. Aber es hat mich vom Weinen abgehalten und die ganze Situation nochmal anders bewerten lassen.

Und so habe ich auch kürzlich versucht, meine Freundin Laura aufzubauen, nachdem endgültig Schluss mit ihrem Ex-Freund war. Sie war gerade dabei, dessen schlechte Eigenschaften aufzuzählen, um besser mit ihm abschließen zu können, als ich einwarf: „Und er hat komische Zähne“. Laura war irritiert, darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht. Ich: „Doch, doch, guck nochmal genau, da ist was mit seinen Zähnen. Nicht, dass meine Zähne perfekt wären, aber deine Zähne sind definitiv besser als seine. Deine Zähne sehen aus, wie Zähne aussehen sollten“. Laura lachte – Ziel erreicht. Und dann sagte sie noch etwas wie: „Letztlich geht es mir gut. Ich habe ein Dach über dem Kopf, ich habe Essen, ich habe dich“ – sehr lieb ausgedrückt. Denn wer ist es denn, der bleibt, wenn die Liebe geht? Eben: Die Freundschaft (hoffentlich).
/wiebke