Foto: David Brag
Eigentlich ist es komisch, dass ich so vollkommen uninteressiert an Sport bin, bin ich doch mit einem sportbegeistertenVater aufgewachsen. Sport ausüben mag ich allerdings, aber dabei Zusehen wie andere Sport ausüben, finde ich zum Sterben langweilig. Nach Aussagen meiner Oma soll mein Vater in der Schulzeit Tabellen über sportliche Rekorde erstellt haben, statt Mathe zu pauken und sich seiner Schullektüre zu widmen. Die einzigen Bücher, von denen ich aus meiner Kindheit her weiß, dass er sie leidenschaftlich gern las, hießen zum Beispiel „Sport des Jahres“, und die Zeitung, die er abonnierte war Idrottsbladet, das Sportblatt. Natürlich waren alle Sportsendungen in Fernsehen für ihn Pflichtprogramm, aber wenn ich ihn fragte, für welchen Fußballverein, welche Eishockeymannschaft oder welchen Leichtathlet er persönlich gerade die Daumen drückte, während er die Augen kaum von der Mattscheibe wenden konnte, hatte er nie eine Antwort. Er war leidenschaftlich interessiert am Sport an sich, fand aber die einzelnen Sportler oder Mannschaften nicht so entscheidend. Wenn es um internationale Wettbewerbe ging, war er zumindest immer für Schweden. Mal abgesehen vom Fußball, der schwedische Fußball ist einfach nicht so dolle. Zlatan Ibrahimovicist ist keine Mannschaft, und egal wie gut er ist, er allein kann weder den schwedischen Fußball retten noch die Weltmeisterschaft gewinnen. Im Eishockey hingegen gewinnt Schweden sogar manchmal und es gibt eine ernstzunehmende Liga .
Wenn man in Schweden von Hockey spricht, meint man immer Eishockey. „Wo soll man sonst Hockey spielen, wenn nicht auf de Eis?“ fragt der Schwede erstaunt. Die Rasenvariante, die andernorts doch auf ein gewisses Interesse stößt, kennt man kaum. Das macht meine Verwirrung, als ich 1993 nach Osnabrück zog, verständlich. Unsere Wohnung lag direkt neben einem Tennis- und Hockeyclub, und als ich an einem Sonntag im April von einem: „Klongk, Klongk“ geweckt wurde, konnte ich es erst nicht zuordnen. Ich weckte meinen Mann, der damals noch nicht mein Mann war, sondern gerade mein „Sambo“ geworden war, und er antwortete schlaftrunken: „Die spielen doch nur Hockey“, und wollte weiterschlafen. Hockey? Draußen? Im April?! Ich musste noch mal nachfragen. Er seufzte und murmelte geduldig etwas über Rasen. Das war für mich ganz was Neues!
In Schweden gibt es aber etwas Anderes, das gern in gebückter Hockeyhaltung gespielt wird, sowohl auf dem Eis als auch in der Halle: Bandy und innebandy. Bandy wird hauptsächlich in Nordschweden gespielt, denn dazu braucht man ein geflutetes Fußballfeld, das verlässlich gefroren bleibt, und eine riesige Eisfläche für die Saison bietet. Dabei flitzen zwei Mannschaften mit Holzschlägern und Schlittschuhen einem kleinen orangenen Ball hinterher, und versuchen den ins gegnerische Tor zu schießen. Ja, man kennt das Konzept bereits, aber was Bandy besonders macht, ist, dass das Publikum erstens immer kurz vor dem Kältetod steht, weil es immer draußen stattfindet, und sie Stunde um Stunde still stehen, und zweitens, dass das Publikum in der Regel kaum etwas vom Spiel mitbekommt. Der Ball ist zwar orange, aber so klein, dass er kaum zu erkennen ist, zumindest nicht, wenn das Spiel auf der anderen Spielhälfte stattfindet. Es ist ein Wunder, dass die Spieler den Ball finden! Vermutlich hat Joanne K. Rowling dieses Spiel im Sinn gehabt, als sie sich den „Schnatz“ für Harry Potter ausgedacht hat.
In der Hallenvariante, nach Deutschland übrigens als Uni-Hockey exportiert, friert man als Zuschauer zumindest nicht so sehr, sofern die Heizung eingeschaltet ist. Meiner Erinnerung aus der Schule nach, ist es nicht ganz ungefährlich, innebandy zu spielen. Die leichten Plastikschläger dürfen zwar nicht übers Knie gehoben werden, aber wenn man den durchlöcherten Plastikball mit aller Macht verteidigt und jemand aus der gegnerischen Mannschaft mit voller Wucht seinen Schläger kreisen lässt, kann es sein, dass dem einen oder anderen sein Schienbein dazwischen kommt. Und das tut weh. Schienbeinschützer gab es damals nicht, zumindest nicht beim Schulsport.
Auch wenn mein Vater schon immer auf mich verzichten musste, wenn es um sportliche Großereignisse ging, muss er heutzutage seiner Sportleidenschaft nicht alleine frönen, für Nachwuchs ist gesorgt: Drei von den sieben Enkelkindern spielen selbst Fußball und einige davon sind selbst leidenschaftliche Statistikfreaks. Mein 9-jähriger Neffe ließ sich schon mit fünf Jahren frisurentechnisch von den Fußballspielern dieser Welt inspirieren. Mein eigener Sohn dagegen – auf ihn ist nicht so recht Verlass, in sportlicher Hinsicht. Er versucht gegen das von mir ererbte Gen des Sportuninteresses anzukämpfen. Er war schon mal mit seinem Vater zum Handballspiel in der Halle. In der Pause fragte er „Du Papa, wie lange dauert so ein Basketballspiel eigentlich?“ Zumindest einer der Nachkömmlinge schlägt also mit ziemlicher Sicherheit nach mir.
/carina