Radeln wie eine Dame
In der Woche unterrichte ich Schwedisch in verschiedenen Betrieben in der Innenstadt von Hamburg. Gut, dass ich nicht gern Auto fahre, in der Stadt bringt es keine Vorteile. Viele sind anderer Meinung, deswegen sind viele Autos unterwegs, die Straßen sind verstopft, und es ist nahezu unmöglich, zu berechnen, wieviel Zeit man von Kunde A zu Kunde B braucht. Und die Parkplatzsuche! Erst muss man einen Platz finden, und dann muss man die Taschen voll Kleingeld haben. 20 Cent für 6 Minuten macht verdammt viele Centstücke für 90 Minuten Unterricht. Nein, ich bin schon längst auf Fahrrad umgestiegen. Ich habe einen ordentlichen Fahrradkorb, einen Rucksack mit viel Platz, und kein Problem, meine ganzen Utensilien zu transportieren. Ich brauche nicht nur Bücher und Mappen, sondern auch jede Menge Stifte, manchmal Gesellschaftsspiele, für die Einsteiger Holztiere, Fahnen und gelegentlich bringe ich Fika mit. Und dann brauche ich noch meinen Laptop und was zu Lesen, da es vorkommt, dass ich schaffe, eine Pause einzuplanen, oder gelegentlich sagt ein Kunde kurzfristig ab, und dann will ich die Zeit sinnvoll nutzen. Das habe ich alles im Griff, aber was ich nicht kann, ist radeln wie eine Dame.
Eine Dame radelt nämlich so, dass die Frisur nicht durcheinander weht, der Rock bleibt glatt und die Frau an sich wohlduftend und frisch geschminkt. Ich aber kann nur ein Tempo: Volle Kanne voraus! Aus dem Grund habe ich mir letztes Jahr einen Fahrradhelm zugelegt und das ist nicht nur aus Sicherheitsgründen ein Geniestreich sondern auch ein Stylingtipp, den ihr nie in den einschlägigen Damenmagazinen lesen werdet: Die Haare sind kein Problem, weil sie immer plattgedrückt und verschwitzt unter dem Helm zum Vorschein kommen. Es ist wenig damenhaft, mit dem Rock in der Kette hängen zu bleiben, es macht Löcher in den Stoff, und ölverschmiert kommt nicht so seriös rüber. Heutzutage verzichte ich auf lange, wallende Kleider, sondern bevorzuge fahrradkompatible Kleidung: kurze Röcke oder Hosen ohne Schlag.
Damen, die radeln, haben nie einen leichten Schweißfilm auf der Oberlippe und kennen bestimmt nicht das Gefühl von einem Rinnsal Schweiß entlang des Rückgrates. Irgendwo habe ich gelesen, dass Rückenschweiß, was man nicht von Achselschweiß behaupten kann, geruchsfrei sein soll. Also müsste ich keine geruchsmäßige Zumutung für meine Kunden sein, aber in schlimmen Fällen kann man sich von den deutschen Umkleidekabinenphilosophen leiten lassen: Duschen braucht man nicht, solange man ein Sprühdeo zu Verfügung hat.
Meine Vorsätze, um das Fahradjahr 2018 etwas damenhafter zu begehen, sind folgende:
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rechtzeitig losfahren, damit das Tempo nicht gesteigert werden muss, um pünktlich beim Kunden anzukommen.
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den Fahrradkorb mit Blumen schmücken, gern Seidenblumen, da es einen weiblichen Eindruck macht.
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eine diskrete Klingel anbringen, die „plingeling!“ sagt, statt des brutalen „rrrrrrring!“
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nicht immer Leute auf der Fahrradspur überholen, sondern mit Engelsgeduld hinter Sonntagsradlern am Montag und Eltern, die ihre Kinder, Hunde und Einkäufe in einem superbreiten dänischen Lastenfahrrad transportieren, herradeln.
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die Aussicht genießen. An Alster, Eilbekkanal und Wandsbeker Gehölz geht das ja von allein, aber auch Friedrich – Ebert – Damm, Ludwig – Erhardt – Straße und Steilshooper Chaussee verdienen eine ehrliche Chance, genossen zu werden.
/carina