Es ist „Mello-Zeit“. Sechs Wochen lang, angefangen am 6. Februar in Göteborg, wird es in Schweden kaum ein anderes Thema geben, als wer, was, wann und wie gesungen hat. Bei Mello geht’s nicht um Melonen oder um eine Zwischenmahlzeit am Nachmittag (die heißt ”mellis”), sondern um was viel Ernsteres: Eurovision Song Contest.
Ganz Schweden wählt, wer es beim ESC vertreten darf, dieses Jahr im Mai sogar als Heimspiel in Stockholm. Es ist ungefähr so, als würde Jogi Löw per Volksentscheid wählen lassen, wer in der Nationalmannschaft zur WM spielen darf, nach mehreren Wettbewerben zur besten Sendezeit. ESC in Schweden ist so wichtig wie die Fußball-WM in Deutschland. Beim ESC haben wir eine reelle Chance (gewonnen 1974, 1984, 1991, 1999, 2012 und 2015) wie beim Fußball Deutschland, als Sieger dazustehen (So ist es gewesen in 1954, 1974,1990 und 2014). Gewinnchancen erhöhen die Motivation des Volkes sich dafür zu engagieren ungemein.
Wie kann es sein, dass die Schweden sechs Wochen, immer Samstags zur besten Sendezeit im öffentlich rechtlichen Kanal 1, brauchen um einen Kandidaten für den ESC zu finden? Das ganze Land wird miteinbezogen, und da Schweden ein an Fläche recht großes Land ist, und gefühlt mindestens die Hälfte von den 9 Millionen Einwohnern aktive Musiker sind, dauert es eben. Die Veranstaltung geht seit 15 Jahren auf Tournee: Erstmals gibt es dieses Jahr vier „Teilwettbewerbe“ in Göteborg, Malmö, Norrköping und Gävle. Der Erst- und Zweitplazierte an diesen vier Samstagen geht direkt in’s Finale in die Friends Arena. Dann gibt es eine von meinen Kindern „Loserfinale“ genannte „Zweite Chance“ in Halmstad, wo vier Finalplätze ergattert werden können. Dafür sind die Dritt- und Viertplazierten aus den vier Teilwettbewerben qualifiziert. Am Ende der schwedische Ochsentour, am 12. März, sind es noch 12 Interpreten, die um die Gunst des Publikums in der Veranstaltungshalle in Solna singen. Ist doch alles nicht so kompliziert, oder? ;-)
Die Schweden können einfach nicht genug bekommen von singenden Menschen, die über Bühnen hopsen und der öffentlich rechtliche Kanal 1 kann sich gewiss sein, Zuschauerzahlen zu bekommen, von denen jeder Programmdirektor nachts träumt, jenseits Klickfernsehen und „Schauen wenn ich Lust habe“. Diese Sendung ist nur in Echtzeit gut: Nur dann kannst du mitvoten. Schweden hat keinen Stefan Raab, der sagt, wer losgeschickt wird. Wir müssen es alles selbst in die Hand nehmen und vor allem anrufen, für unseren Kandidaten. Am besten mehrmals, weil so wird nicht nur die Sendung finanziert, sondern ein Teil der Erlöse geht an einen guten Zweck. Nicht nur Musikinteressierte rufen an, sondern auch verantwortungsvolle Bürger die „Radiohjällpen“ etwas zukommen lassen wollen.
Also bleibt uns nichts anderes übrig, als wie die Moderatorin Gina Dirawi zu schreien: Nu kööör vi!
Tipp: Kann auch in Deutschland unter www.svtplay.se geschaut werden! Samstag um 20.00 Uhr in Kanal 1.