Am Morgen des 13. Dezember wird die schwedische Weihnachtszeit von singenden Kindern in weißen Gewändern mit vielen Kerzen eingeläutet. Die Nacht zum 13. Dezember ist laut der Legende die dunkelste Nacht im Jahr und da passiert so allerhand an gespenstischen Sachen, solltet ihr wissen. Dass die Tiere sprechen können, ist eine von den weniger erschreckenden Tatsachen dieser Nacht. Vorausgesetzt, dass du lieb zu deinen Tieren warst, hast du nichts zu befürchten, und das waren alle Schweden seit Nils Holgersson. Nils Holgersson aus der Geschichte von Selma Lagerlöf war fies zu den Tieren auf dem Hof seiner Eltern und wurde deswegen in einen Winzling verwandelt. Er musste außerdem auf dem Rücken einer Gans durch ganz Schweden reisen, etwa 1600 km hin und zurück, und hat dabei manches Abenteuer erlebt. Er hat den Fuchs ausgetrickst und war auf Tuchfühlung mit dem Adler. Die Reise auf einer Gans war keine Businessclass und bestimmt nicht immer lustig. Manchmal sogar bestimmt ähnlich unlustig, wie es am Abend am 12. Dezember in den meisten schwedischen Haushalten zugeht.
Die weiß bekleideten Kinder kommen von irgendwo her, nämlich von ganz normalen schwedischen Haushalten mit durchschnittlich 1,75 Kinder pro Familie, wo beide Eltern berufstätig sind. Eine Putzhilfe, oder überhaupt Hilfen im Haushalt, sind allgemein verpönt, also kann man sich vorstellen, dass es da manchmal etwas drunter und drüber geht. Das heißt im Klartext, dass das Luciakleid vielleicht nicht schon Anfang Dezember aus dem Versteck geholt wird, sondern tatsächlich erst am Abend des 12. Dezember. „Just in time“ denken die schwedischen Eltern zufrieden und erleichtert wenn sie ein zusammengeknülltes Baumwolletwas in weiß aus der hinteren Ecke eines Schrankes fischen. Bevor man sich an das Bügeln macht, ist es empfehlenswert, zu überprüfen ob das Kind möglicherweise gewachsen ist, seit dem letzten Jahr. Das kommt nicht so selten vor. Die Durchschnittsgröße eines schwedischen Mannes ist schließlich 180 cm und die einer schwedischen Frau ist auch fast 170 cm, und das muss dann ja irgendwann erreicht werden. Haushalte mit mehreren Kinder haben für die jüngeren vielleicht sogar einen Vorrat an weißen Gewändern, aber für die Erstgeborenen könnte es jetzt eng werden. Ich vermute, dass es heutzutage Luciakleider in jedem Ica-Laden gibt, und die haben nahezu rund um die Uhr geöffnet, also lassen sich solche Notfälle leichter beheben, als damals, als ich in den 70-iger Jahren Kind war. Ich war so ein erstgeborenes Kind, das sehr viel wuchs, ich weiß wovon ich spreche! Ein Jahr hat meine Mutter ein weißes Bettlaken geopfert und einen großzügigen Volant zugeschnitten und unten angenäht. Ich glaube bestimmt, das war mein letzter Lucia-Auftritt.
Die meisten Jungs waren damals, genau wie heute, ab einem gewissen Alter schwer für das kleidähnliche Gewand zu begeistern, nicht mal, wenn sie einen spitzen Sternknabenhut als Kompensation erhielten. Sie wollten lieber Pfefferkuchenknaben sein oder kleine Weihnachtsmannhelfer in rot. Die hatten auch andere Vorteile: die roten oder braunen Anzüge ließen sich ganzjährig als Schlafanzüge zweckentfremden, wenn man nur die zugehörigen roten Zipfelmützen und die braunen Zylinder mit Zuckergussverzierungen wegließ, merkte das keiner. Und vor allem, die Anzüge mussten nicht mal gebügelt werden.