Es ist wieder soweit, wir befinden uns mitten in einer internationalen Fußball-Meisterschaft. Für Fans ein echtes Highlight – für Fußball-Banausen wie mich vor allem ein soziales Event: Man guckt in Gemeinschaft, um eine gute Zeit mit seinen Leuten zu verbringen und allgemein mitreden zu können, was in Fußball-Deutschland gerade los ist.
Und eben weil dabei das Soziale im Vordergrund steht, bleiben manche Events auch noch nach Jahren in besonderer Erinnerung: Das WM-Viertelfinale Deutschland-Schweden im Jahr 2006 zusammen mit den Schauspieler/innen des Films „Das Wunder von Bern“ gucken, unzählige Biergarten-Abende mit Mitbewohner/innen und Kommilitoninnen zur WM 2010 und dann das WM-Finale 2014.
Das ist wahrscheinlich vielen noch in guter Erinnerung, den meisten in feuchtfröhlicher. Bei mir war es etwas weniger fröhlich, aber ähnlich denkwürdig: Für meine Uni-Abschlussarbeit hatte ich in Erfurt zu tun, während meine Studienfreund/innen in Münster eine WM-Party schmissen.
Gerade 3 Tage zuvor war die Beziehung mit meinem Ex-Freund in die Brüche gegangen – ich war nervlich am Ende und dachte, mein Leben wäre vorbei, bevor es richtig angefangen hat (ich war 22, hatte schon die Gästeliste für unsere Hochzeit erstellt und wir hatten uns auf Namen für unsere gemeinsamen Kinder geeinigt – in dieser Liga also befand sich die Beziehung, nur zur Einordnung meines damaligen Gefühlszustandes).
Nun war ich komplett alleine in einer anderen Stadt – und das in der WM-Final-Nacht. Ähnlich wie zu Sylvester besteht ja quasi eine gesellschaftliche Erwartung, zu feiern und gute Laune zu haben. Dazu war mir nun gar nicht zumute, und trotzdem landete ich in einer Kneipe am Domplatz mit vielen anderen fremden Menschen.
Vom Spiel habe ich nicht viel mitbekommen – ich erinnere mich nur noch, dass es unglaublich lange ging – , da ich schnell mit meiner Sitznachbarin am Tresen ins Gespräch kam: Sie war auch alleine da, weil ihr Freund kein Interesse an der WM hatte. Seinetwegen war sie gerade erst aus der Schweiz nach Erfurt gezogen, nach jahrelanger Fernbeziehung, aber kaum in Erfurt angekommen, plagten sie die Zweifel… Beziehungsprobleme überall, dachte ich, während ich ihr zuhörte und sich die Rotwein-Karaffe leerte, die sie mit mir teilte.
Dann bestellten wir noch eine und redeten weiter, es gelang mir zumindest für den Moment, mich von meiner Misere etwas abzulenken, und irgendwann fing es auf dem Spielfeld an zu regnen und Mario Götze erlöste uns alle.
Leider sah er meinem Ex-Freund etwas ähnlich und erinnerte mich somit wieder an meine Situation, aber der Liebeskummer verfolgte mich sowieso noch eine ganze Zeit lang überall hin. Ich musste lernen, damit zu leben, und ich fing in der WM-Final-Nacht damit an.
Ich weiß nicht, was aus der Schweizerin und ihrer Beziehung geworden ist, wünsche ihr aber, dass sie heute glücklicher ist.
Und mir, dass ich mich nie wieder derart verzweifelt und hoffnungslos fühle wie damals – und, dass Deutschland mal wieder gewinnt. Allein schon, um Erinnerungen zu schaffen und neue Geschichten erzählen zu können.
/wiebke