Foto: Linnea Lundin
Die deutsche Sprache befindet sich in einer Krise. Zumindest was ihre Attraktivität in Schweden anbelangt. Ich mag klingen wie ein Mitarbeiter vom Goetheinstitut, dessen Gehalt direkt daran gekoppelt ist, wie viele Neuzugänge es bei den Deutschlernenden 2014 geben wird, aber ich finde es schlimm, wenn Deutsch als Fremdsprache aussterben sollte. Wir möchten doch nicht den nachfolgenden Generationen ”an, auf, hinter, in, neben, über, unter, vor und zwischen” vorenthalten? Der Lachflash ist garantiert, wenn jemand in den hinteren Bänken ”Deutscher Hochzeitsnacht” flüstert. Dass diese Präpositionen sowohl Akkusativ als auch Dativ steuern, weiß kein Mensch mehr, aber gelernt ist gelernt und gerade diese Präpositionsreihe scheint in den Gehirnen von Deutschlernenden weltweit eingefräst zu sein, für den Rest ihres Lebens.
Bis zum zweiten Weltkrieg war Deutsch die erste Fremdsprache für diejenigen, die weiterführende Schulen besuchten. Nach 1945 wurde Englisch die erste Sprache in Schweden und Deutsch wurde zur zweiten Fremdsprache degradiert. Der Niedergang begann.
Die deutsche Sprache gilt als schwer und wenn man möglichst viele Punkte zum Abitur, in Schweden Studentexamen, haben möchte, dann nimmt man als strategischer Schüler etwas Leichteres. Kunst oder Sport zum Beispiel. Wenn es unbedingt eine Sprache sein soll, nehmen wir Spanisch. Das ist cooler und die Grammatik ist leichter. Spanisch ist außerdem nützlicher für den Urlaub. Die balearischen Inseln sind sonnensicherer als Baden-Baden, Bad Salzuflen oder Hamburg. Paella und Tapas klingen sehr viel verlockender als Laubskaus und Pannfisch.
Wenn ein durchschnittlicher 12-Jähriger in Schweden eine zweite Fremdsprache wählen soll, geht es nicht wissenschaftlich zu. Er denkt nicht: ”Welche Sprache könnte mir in meiner Berufslaufbahn in 15 Jahren weiterhelfen? Deutschland ist ein großer Handelspartner, dann werde ich mal Deutsch nehmen, das außerdem noch die meistgesprochene Sprache Europas ist!” Jugendliche entscheiden aus dem Bauch heraus oder nach dem, was die Freunde wählen. Wenn sie an Deutsch denken, hören sie im Kopf die Deutschen aus Hollywoodfilmen, die nur ”Schnell, schnell” oder ”Arbeit!” schreien dürfen und nie sonderlich sympatisch sind. Oder sie denken an die Autobahnen und die dazugehörigen Raststätten, die es zu überleben gilt, wenn man in den Sommerferien an die Adria-Küste möchte. Pommes mit Ketchup und Zugang zu einem einigermaßen sauberen Klo bekommt man überall, auch ohne Deutschkenntnisse.
”Fußball – da sind wir doch gut!” schreit der Deutsche, um Ehrenrettung bemüht. ”12-jährige interessieren sich doch für Fußball?” Ja, aber der spanischsprechende Lionel Messi sieht besser aus als Bastian Schweinsteiger und Mesut Özil zusammen. Wann gewannen die Deutschen zuletzt einen Titel? Der 12-jährige hat keine Ahnung. Der Fußballbegeisterte nimmt auch lieber Spanisch.
Wenn wir es nur schaffen, die jungen Schweden nach Deutschland zu locken und das Expriment zu wagen, hier etwas Zeit zu verbringen, dann hat die deutsche Sprache eine Chance! Hamburg und Berlin zum Beispiel, sind wirklich coole Städte, mit einer attraktiven Musikszene. Das gesamte Kulturangebot ist spannender und vielfältiger als in den schwedischen Städten. Es gibt kleine lokale Modelabels und alternative Läden jenseits von H&M-Mainstream und Restaurants mit innovativen Speisekarten und Kneipen mit unendlich vielen Biersorten.
Und wenn man sich kurz eine Auszeit von ”an, auf, hinter, in, neben, über, unter, vor und zwischen” nimmt, ist Deutsch gar nicht so schwer! Man merkt deutlich, dass sowohl Schwedisch als auch Deutsch germanische Sprachen sind, einen gemeinsamen Stamm haben und vieles erklärt sich von selbst. ”Kan man sitta här?” heißt ”Kann mann hier sitzen?” und braucht keine weitere Erklärungen.
Nach einem modernen, veganem Essen und einem leckeren Bier, das in der unmittelbaren Nachbarschaft gebraut wurde, traut man sich vielleicht sogar etwas deutsch zu sprechen. Kein junger Deutscher in der Kneipe wird die Nase rümpfen und ein Dativobjekt empfehlen, wenn er von einer süßen Schwedin angesprochen wird. Er freut sich, gibt ein weiteres Bier aus und hofft insgeheim, dass aus dem Deutsch noch Französisch wird, bevor der Abend abgeschlossen ist.
Ein kleiner Lichtblick am Horizont wurde mir letztens von einer aufmerksamen Kursteilnehmerin zugespielt. Zumindest auf der Linnéuniversität in Växjö scheint Deutsch wieder im Kommen zu sein. Sie haben 100% mehr Studenten dieses Jahr, erzählt Thomas Marten der sich um die Deutschstudenten kümmert. Wow! Aber doppelt so viele von gar keinen, wie viele können das denn sein? Vier? Zumindest ein Hoffnungsschimmer!
In der Zwischenzeit empfehle ich aber den Deutschen weiterhin, Schwedisch zu lernen. Jedenfalls, wenn sie sichergehen wollen, dass die schwedische Kneipenbekanntschaft sich nicht aus dem Staub macht, wenn sie ihr Deutsch zum besten gegeben hat. Wenn ihr Schwedisch sprecht, habt ihr ein Stein im Brett und das Spiel kann beginnen.
/carina
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