Erst mal muss ich gestehen, dass mir die Reihe “Fettnäpfchenführer” noch gar nicht bekannt war. Nicht nur Schweden sondern auch auf beispielsweise Norwegen, Island, USA und Japan kann man sich zu Hause im Sessel vorbereiten. Das mit dem Vorbereiten ist schon mal eine sehr gute Idee, damit man sich nicht so blamiert, wie Katharina es in dem Schwedenbuch ununterbrochen tut. Die Rahmengeschichte ist, dass die Molekularbiologin Katharina aus Heidelberg ein Forschungssemester am Karolinska-Institutet in Stockholm verbringt und wir dürfen sie dabei begleiten. Und wie der Name schon sagt, sie macht es sich nahezu bequem in den Fettnäpfchen, die Schweden so anbietet. Oder wie es auf Schwedisch heißen würde: “Hon trampar i klaveret hela tiden!”
Ich fand die Idee ganz lustig und freute mich zunächst auf die Geschichte von Katharina. Mir wurde aber ganz schnell klar, dass “die Geschichte” nicht das wesentlich in dem Buch ist. Dass sind vielmehr die beispielhaften Situationen, in die Katharina andauernd hineintrampelt. Sie ist auf den Auslandsaufenthalt beispiellos schlecht vorbereitet, unsensibel wie nichts und Gottseidank nicht besonders realistisch.
Cornelia Lohs hat ordentliche Recherche gemacht, dass muss ich wirklich lobend erwähnen. Ich kenne mich nicht so gut in Stockholm aus, aber ich gehe davon aus, dass die genannten Linien für den öffentlichen Verkehr, Abfahrplätze für die Schärendampfer und die Restaurant-Tipps authentisch und stimmig sind.
Die Themen die Cornelia Lohs ausgesucht hat und mit Katharinas Hilfe beschreibt, sind einerseits beispielhaft für das, was Deutsche über Schweden denken. Zum Beispiel, dass im Wald immer Elche umherlaufen und darauf warten, geknutscht zu werden und dass, wenn man sich duzt, man sich sehr gut kennen muss. Cornelia Lohs hat aber auch lobenswerterweise eine ganze Reihe Situationen geschildert, die nicht unbedingt sehr bekannt in Deutschland sind. Wie zum Beispiel, dass jeder Schwede sich selbst ein Kuchenstück abschneiden möchte, dass es seit dem 1. Juli 2018 ein Einwilligungsgesetz gibt, das deutlich fordert, dass beide Partner vor dem Geschlechtsverkehr ihre Einwilligung geben und auch, dass übermäßige Parfümbenutzung nicht unbedingt geschätzt wird, sondern im öffentlichen Raum manchmal sogar untersagt ist.
Anderseits frage ich mich, wie sie darauf kommt, drei “typische” Schwedinnen Janne, Stine und Johanna zu nennen? Johanna ist meines Erachtens in Ordnung, aber Janne ist in Schweden höchst wahrscheinlich ein Mann und Stine kommt vermutlich aus Dänemark. Ich habe wirklich nichts gegen vegane Kanelbullar, aber sie mit Trockenhefe zuzubereiten, davon würde ich abraten. Und sie bei 175 Grad 15-20 Minuten zu backen, das würde ich nur machen, wenn ich Zweiback mit Zimtgeschmack haben möchte.
Dann möchte ich die Autorin darauf aufmerksam machen, dass Schweden eine Fläche von 447 435 km² hat und davon sind nur 6524 km² Stockholm. Wenn ein Buch sich “Fettnäpfchenführer Schweden” tituliert, erwarte ich auch, etwas von den restlichen 440 919 km² zu erfahren. Ach nein, Katharina war ein Wochenende in Småland und besuchte einen Elchpark. Die Schlagseite Stockholm wird ganz besonders in den “do´s” deutlich, wo sich acht von zehn Plätzen und Unternehmungen auf Stockholm beziehen. Bei den “dont´s” sind es allerdings gesamtschwedische Tipps.
Es hat nicht so viel Spaß wie erwartet gemacht, das Buch zu lesen. Katharina ist einfach eine blöde Ignorantin und bei mir kommt keine Sympathie auf. Mir sind keine neue Erkenntnisse gekommen und ich habe nichts Neues erfahren, aber das hat ganz bestimmt damit zu tun, das ich mich jeden Tag seit 2003 mit denselben Themen auseinandersetze.
Unsere Kursteilnehmer bei Svenska Intensiv würde ich das Buch empfehlen, wenn sie mehr über Schweden erfahren möchte. Ich würde ihnen allerdings auch empfehlen die Textteile über Katharina komplett zu überspringen, um nicht unnötig viel Fremdschämen zu verursachen. Dann würde ich ihnen auch dazu raten, sich eine zweite Meinung einzuholen und nicht alle Ratschläge darüber, wie man mit den Schweden umgeht, als bare Münze zu nehmen. Persönlich kenne ich zum Beispiel keinen Schweden, der den Türspion dazu nutzt, um sicherzustellen, das kein Nachbar sich im Treppenhaus befindet, bevor sie aus der Wohnung treten. Manche Vorurteile werden dadurch zementiert und zeigen manchmal auch ein Schwedenbild, das längst nicht mehr stimmt. Und ich würde das Kanelbullarrezept mit einem Warndreieck versehen!
Quellenangabe zu der Fläche von Schweden bzw Stockholm: Wikipedia
Funfact von SCB (Statistiska centralbyrån): 34 047 Frauen tragen den Rufnamen Johanna, 134 Stine und es gibt tatsächlich 92 Frauen mit dem Rufnamen Janne. Allerdings sind es auch 1182 Männer die den selben Namen tragen. Die jenige die Jan heißen und Janne von Familie und Freunde genannt werden, sind in der Statistik nicht erfasst.
OBS: Rezensions-exemplar
Autorin: Cornelia Lohs
Titel: Fettnäpfchenführer Schweden – wilde Erdbeeren und zahme Elche
Erscheinungsjahr: 2019
Verlag: Conbook
Sprache: deutsch
Note: 3 / 5
Geschrieben von Carina
Zuerst veröffentlicht auf dem Buchblog „Punktslut“