Ich trinke Tee. Tee mit Milch aber ohne Zucker. Ich trinke keinen Kaffee aus den Kaffeefilterautomaten dieser Welt, nicht mal in Schweden, dem Land der ewigen Kaffeetrinker.
In Schweden ist es ein ernsthaftes Problem, wenn ein erwachsener Mensch keinen Kaffee trinkt, weil man dann seine Gastfreundschaft gar nicht unter Beweis stellen kann. Gastfreundschaft bedeutet in Schweden Kaffee. Kaffee ist der Anfang aller Besprechungen. Oder gar aller menschlichen Beziehungen?
Ohne Kaffee würden keine Tarifverhandlungen statt finden und es wäre kein ernst zu nehmendes Beratungsgespräch in der Anwaltskanzlei möglich. Es ist schier undenkbar, dass die Kollegen sich im Büro treffen, ohne dass der Einladende für ausreichend Kaffee gesorgt hat. Im Café stellen die Schweden immer die Frage Ingår påtår? Auf Deutsch würde das heißen „Ist das Nachfüllen meiner Kaffeetasse im Preis einbegriffen?“ Häufig muss nicht einmal gefragt werden, da über dem Tresen das Schild PÅTÅR INGÅR prangt.
Jemandem Kaffee anzubieten, bedeutet ihm zu sagen, „Ich bin dir wohlgesonnen“ oder zumindest, „Ich führe nichts Böses im Schilde“. Das abzulehnen heißt dann übersetzt, „Ich mag dich nicht und ich will sowieso nicht lange bleiben.“
Als ich in meiner sehr kurzen Karriere beim Amt für Soziale Dienste in Västra Frölunda 1992 antrat, ahnte ich nicht, was das beinhaltete, außer Akten zu führen und die dazugehörigen Menschen zu treffen und ihnen möglichst behilflich zu sein, in ihren meistens sehr kniffligen Lebenssituationen. Das ist schon an sich keine einfache Aufgabe, aber das hatte ich mir als Beruf ausgesucht, und darauf war ich vorbereitet. Das hatte ich alles an der Uni gelernt und in verschiedenen Praktika geübt.
Aber ich hatte nicht ahnen können, wie viel lauwarmer, mieser Filterkaffee meine Kehle herunterfließen musste, bis ich überhaupt mit diesen Menschen ein tragbares Fundament hatte und mit der „richtigen“ Arbeit anfangen konnte! „Erst wenn du in meiner Küche meinen Kaffee trinkst, dann kann ich dir vertrauen.“
Also, hoch die Tassen! Ich wollte ja unbedingt behilflich sein…
Die in Deutschland durchaus gängigen Ausreden, „ich habe gerade Kaffee getrunken.“ oder, „Es ist ja schon so spät, sonst kann ich abends nicht schlafen“, werden in Schweden nicht verstanden. Und dass man nach Kaffeegenuss am späten Nachmittag abends nicht schlafen kann, das wissen die Schweden überhaupt nicht. Selbst habe ich das erst in Deutschland gelernt. In Schweden trinkt man die letzte Tasse des Tages quasi auf der Bettkante.
Der Gedanke, den einer von meinen Schwedischschülern mal geäußert hat, dass ich vielleicht aus Schweden ausgewiesen worden wäre, weil ich nicht genügend Kaffee getrunken hätte, ist nachvollziehbar. So schlimm war es aber nicht! Ich wurde nicht gezwungen, Schweden zu verlassen, mir wurde nur empfohlen, den Beruf wechseln und mich selbstständig zu machen. Bei Svenska Intensiv wird schwarzer Tee getrunken. Mit Milch. Ohne Zucker.
PS! Nur die Finnen trinken mehr Kaffee als die Schweden, laut der Statistik von nestlé.
Die Finnen trinken 1459 Tassen pro Kopf im Jahr, die Schweden aber nur 1117… In Deutschland kommt man allerdings auch auf 731 Tassen und das komplett ohne meine Mithilfe.