Unser Reihenhaus in Wandsbek hat einen schmalen Streifen Balkon auf der Rückseite, vor unserem Schlafzimmer. Bevor wir 2003 hier einzogen, lebten wir in einer ziemlich gruseligen Wohnung unter dem Dach, und ich freute mich sehr darauf, den Balkon gemütlich zu machen. Zu diesem Zeitpunkt war unsere Tochter zweieinhalb Jahren alt und sehr lebhaft. Unser Sohn war genauso alt und lebhaft, mit dem Unterschied zu seiner Schwester, dass er zu diesem Zeitpunkt schon die Mittagsruhe abgeschafft hatte. Ihr könnt euch vorstellen, wie viel Zeit ich hatte, mir Gedanken um die Balkonverschönerung zu machen, geschweige denn, um eventuelle Ideen umzusetzen.
Die Zeit, die ich nicht dem Schlaf der Gerechten widmete, verbrachte ich kochend in der Küche, am Sandkistenrand hockend im Garten, oder auf Spielplätzen in der Gegend. Irgendwann kam ich auf die Idee, im Frühling einen Wäscheständer auf den Balkon zu stellen, und von da an wurde der damals so heiß ersehnte Balkon ein „Wäschebalkon“. Manche Jahre habe ich mich aufgerafft und Balkonkästchen bepflanzt, und einen Sommer lang hatte ich sogar eine recht große Engelstrompete da oben. Das allerdings nur, weil meine Mutter behauptete, sie seien sehr giftig, und unten im Garten konnte ich nicht ununterbrochen die Aufsicht über die nach wie vor lebhaften Zwillinge gewährleisten.
Nun sind aus den kleinen Zwillingen erwachsene Menschen geworden, und falls sie immer noch gelegentlich zu lebhaft sind, steht dies außerhalb meiner Verantwortlichkeit. Wenn Kinder zu Erwachsenen werden, verändert sich so einiges im Haus. Die Sandkiste, zum Beispiel, ist einem Fahrradschuppen gewichen, aber ich habe immer noch keine giftigen Engelstrompeten herumstehen. Und der Balkon, der ist nach wie vor ein Platz für den Wäscheständer.
Oder sagen wir mal, bis vor kurzem war der Balkon ausschließlich dem Wäschetrocknen gewidmet. Ich saß eines Abends unten im Garten auf einem Gartenstuhl am Tisch und las. Ich hatte mir schon ein Kissen geholt und drehte nun den zweiten Gartenstuhl so, dass ich die Füße hochlegen konnte, aber so richtig gemütlich und bequem wurde es trotzdem nicht. Mein Blick fiel auf den Deckchair aus Holz, welchen ich zum 40. Geburtstag bekommen hatte. Das Teil war noch im guten Zustand, stand aber etwas verloren und verwaist unter dem Rosenbusch.
Plötzlich sah ich den perfekten Einsatzort für den betagten Deckchair: als gemütlichen Lesesessel, aber auf dem Balkon! Ich engagierte meinen Mann, mir zu helfen, das sperrige Teil nach oben zu schleppen. Ich holte Kissen und eine Wolldecke und kuschelte mich probeweise ein. Der mittlere September 2020 war aber nicht kalt genug für eine Wolldecke und das Tageslicht schwand schneller, als mir lieb war. Ich besserte nac: Wolldecke gegen Yogadecke aus Baumwolle tauschen und eine alte Stirnlampe raus kramen, um besser lesen zu können. Viel besser! Aber noch gemütlicher würde es vielleicht mit einer Lichterkette werden? Gedacht, besorgt und aufgehängt!
Nun erwische ich mich dabei, wie ich abends im Bett von Holzdielen für den Steinfußboden träume und darüber grübele, wie am besten eine Blumenampel befestigt werden könnte. Nächstes Frühjahr bleibt der Wäscheständer im Keller und die Zeit für Engelstrompeten bricht an.