Ich wohne seit 1993 in Deutschland, und wenn ich auch immer noch nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitze, wirft mir mein Mann gelegentlich vor, dass ich deutscher bin als die Deutschen. Ob das als Kompliment oder als leichte Enttäuschung zu verstehen ist, kann ich nicht so genau sagen.
Allerdings gibt es Phänomene, die ich in 27 Jahren noch nicht begriffen habe, und selbst, wenn ich noch 27 Jahre hier lebe, werde ich sie nicht verstehen.
Warum darf niemand in meinen Garten gucken können, und warum muss meine Gardine das Fenster so weit bedecken, dass keiner in die Wohnung schauen kann? Und was ist eigentlich dieser „Präsentierteller“, auf dem man angeblich sitzt, wenn das obige nicht gewährleistet ist?
In Schweden sind die Gärten meistens nicht mit Zäunen, Hecken oder gar Sichtschutz gesichert. In meiner (schwedischen) Vorstellungswelt ist es nicht schlimmer, dass der Nachbar es sieht, dass ich meinen Rasen mähe oder meinen Grill anschmeiße, als wenn er die Maschine brummen hört oder das Grillgut riecht. Und ich glaube nicht, dass ich mich schlechter in meiner Hängematte entspanne, wenn jemand von der Straße aus sehen kann, dass ich darin liege. Das Problem für mich aktuell in Hamburg ist eher, dass ich in meinem Handtuchgarten keine Hängematte unterbringen kann, nicht, dass meine Nachbarn mich eventuell beim leichten Schwingen beobachten könnten.
Der Hälfte des Jahres ist es in Schweden recht dunkel, und die Einrichtung zielt hauptsächlich darauf, so viel Licht und Helligkeit wie möglich in die Wohnung zu bringen. Der „Skandistil“ ist gekennzeichnet durch helle Möbel, viele Lampen, und keiner würde auf die Idee kommen, die Fenster mit Stoff zu bedecken. Die Fensterbänke werden vielleicht mit Blumen, Nippes und Lämpchen dekoriert, und die Gardinen umspielen die Fenster nur am Rande. Es ist schon möglich, von außen in die Wohnungen von anderen Menschen reinzuschauen. Aber warum in aller Welt sollte dies jemand tun wollen? Man würde vielleicht sehen, wie jemand am Tisch sitzt und Kaffee trinkt, ein Kind die Hausaufgaben erledigt, oder eine Familie, die zu Abend isst. Aber selbst die Tatsache, dass jemand kurz zuschauen könnte, macht nicht, dass der Kaffee schlechter schmeckt, das Kind wird bei den Hausaufgaben nicht gestört, und das Essen wird nicht schneller kalt. Also, kein Problem!
Und lass uns das mit dem Präsentierteller klären: Ist das etwas, was man in deutschen Haushalten im Schrank hat, oder ist es nur ein sprichwörtlicher Teller? Falls ich meinen Gästen etwas anbieten wollte, will ich ja auch, dass sie sehen, was ich für sie vorbereitet habe. Dann lege ich es fein zurecht gemacht auf den Präsentierteller. „Bitteschön, nehmt euch doch ein paar Häppchen vom Präsentierteller!“ Oder vielleicht doch nicht?
So, ich gehe noch, die Fenster von den Gardinen befreien und trinke meinen Elf-Uhr- Kaffee draußen auf der Bank vor dem Haus. Und falls jemand vorbei kommt, lege ich ein paar Kekse auf den Präsentierteller und sage: Varsågod!
/carina